Venus im Schaumbad
Zur Einzelausstellung Venus im Schaumbad, Galerie Kunst & Denker Contemporary, 2019
Die Idee der ”Fremde” definiert sich in der Abgrenzung zum eigenen Ich, der Umgebung und Gewohnheiten. Ohne die Begrenztheit des Ichs könnte es auch keine Fremde geben, die Projektionsfläche für alle möglichen emotionalen Dispositionen wie Sehnsüchte, Begehren oder auch Ängste sein konnte. Der Begriff des Fremden ist einer der Bewertung, der Aus- und Abgrenzung. Ist man geneigt das Andere gerne im Lichte romantisierender Verklärung zu sehen, wird es nicht selten zum Objekt der Verkitschung trivialisiert. Katja Tönnissens Arbeiten erzählen von diesen Vorstellungen, dem faszinierten Blick in die Ferne und exotischer Motivwelten, die den Spagat zwischen selbst-erlebten und der visuellen Erzählung desselben zu vermitteln versuchen. Für die Ausstellung “Venus im Schaumbad” bei Kunst & Denker versammelt Tönnissen Fundstücke an Eindrücken ihrer letzten Aufenthalte in Venedig, Miami oder Tel Aviv, die wie eine Art Reisebericht lesend, eine Welt in ganz subjektiver Couleur offenbaren.
In ihrer Werkserie von Stehlampen nimmt sich Tönnissen dem Motiv von Sonnenuntergängen an. Die Wirkung der einmaligen Naturschauspiele bannt sie in changierende Farbverläufen auf den Bildträger der Lampenschirmen, während die Lampenständer mit Keramik ummantelt sind und das ineinanderfließen der Farben noch gesteigert wird. Die Lampe selbst fungiert als Mittel zum Zweck, die abstrahierten Horizonte zum Leuchten zu bringen. So steckt nicht nur in der Funktion und dem Motiv des Sonnenuntergangs selbst ein gewisser Grad an Kitsch, sondern auch in der Tatsache, dass Farbverläufe an sich, Gegenstand größter Beliebtheit in der visuellen Bildsprache geworden sind und mittlerweile sich nahezu überall im Alltag wiederfinden. Ein Blick auf das eigene Handy und dessen Apps verraten allzu schnell diesen ausgedienten Design-Trend. Die Sunset und Sunrise Bench sind wiederum Sitzbänken von Stränden nachempfunden, die zu dem Beobachten eben jener Phänomene einladen sollen. So im Raum stehend, wirken sie wie ein Versprechen, die südländischen Abenddämmerungen nach Hause ins eigene Heim zu holen und verliebt, die Hände haltend, gemeinsam das Ereignis genießen zu können. Doch freilich, reproduzieren die Werke nur ein Echo, von dem was war.
In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass Tönnissen häufig bewusst die Nähe zu Design herstellt, indem die Objekte ‘nutzbar’ gemacht werden. Als Lampe, Sitzbank oder als kleine Brunnenskulptur, die unter anderem an Trinkstellen im öffentlich Raum angelehnt sind. Titelgebend nimmt so das Motiv des Brunnens eine zentrale Position in der Ausstellung ein, bei denen sich Tönnissen unter anderen von venezianischen Zisternen hat inspirieren lassen. Mit Brunnen fest verankert, ist das Bild der Muschel als Sinnbild der Weiblichkeit und damit der Venus. In Anspielung auf Botticellis “Die Geburt der Venus”, die trotz ihrer reizenden Nacktheit eher die geistige als körperliche Liebe symbolisieren soll, findet sich in eine Bronze gegossene Nachbildung einer Sandkasten-Muschel, die wiederum als Platzhalter einer Brunnenskulptur dient. Die Bronze steht hier im direkten Kontrast zu der Keramik, die keine Zufälle zulässt. Doch durch die Bearbeitung der Oberfläche beim Abguss, spielt Tönnissen mit dem Moment des Imperfekten, den sie auch in der Verwendung der Keramik provozierend herausgearbeitet.
Mit ironischen Blick auf die Dinge bieten Tönnissens Arbeiten – unter dem Vorsatz des Verständnisses der Werke als vergeistigte Mitbringsel ihrer Reisen – einen Ausgangspunkt sich mit der immer neu zu stellenden Frage nach dem Verhältnis des Eigenen und Fremden zu beschäftigen, begleitet von der Unsicherheit, ob sich im Versuch des Fremdverstehens nicht eventuell immer bloß das Eigene reproduziert.
Text: Jonas Schenk